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Sascha Kretzschmar

KiK, Gesichter des Lebens, Mazibora, Invictus, PTBS - Schlagworte, die mir auf der Fahrt Richtung Essen durch den Kopf gehen. Ich bin aber auch immer noch voller Adrenalin nach dem Shooting mit Sandra und Martin vom Vortag. Und wieso gehen dir dann die Schlagworte durch den Kopf, werdet ihr euch Fragen. Diese Worte haben einen direkten Bezug zu meinem nächsten Shooting mitten im Ruhrgebiet. Denn diese Worte gehören zu Stephan Kremer. Hey - Stephan Kremer ist aber doch schon ein Teil von "Gesichter des Lebens" und dazu noch der Songschreiber des gleichnamigen Liedes.

 

Genau - stimmt, aber Stephan ist auch der Freund meines nächsten Veteranen, den ich fotografieren werde. Ich steige aus dem Zug in Essen aus, schaue mich um und entdecke ihn. Kurze, aber herzliche Begrüßung. Ich sehe das tätowierte KiK - das Label steht für Krieg im Kopf - auf seinem Hals. Plötzlich steht ein zweiter Mann mit dem gleichen Tattoo daneben. Mensch, Stephan, die Überraschung ist gelungen. Freude, Herzlichkeit und Glück überfallen uns drei. So darf ein Shooting gerne beginnen 😊📸.

 

Kameradschaft, Seelenverwandtschaft, Leidensgenossen, Freunde - man sieht es auf den ersten Blick. Wer das nun neben Stephan ist, erklärt mein nächster Shootinggast selbst.

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

„Ich bin Sascha, 34 Jahre alt, alleinerziehender Papa einer 9 - jährigen Tochter,“ erzählt er noch etwas schüchtern. Sascha war Soldat, er ist 2007 zum Grundwehrdienst eingezogen worden. Nach 9 Monaten Bundeswehr hat er dann eine Ausbildung zum Fliesenleger erfolgreich absolviert. Da sein Ziel aber schon lange bestand, Soldat zu werden, ist er anschließend als Wiedereinsteller zurück zur Bundeswehr gegangen. Wiedereinsteller, kurz erklärt, sind all diejenigen Soldatinnen und Soldaten, die nach einer bereits abgeleisteten Dienstzeit zur Bundeswehr zurückkehren wollen. Wieder was gelernt 😉!

Somit ist Sascha von 2011 bis 2015 zurück zur Bundeswehr gegangen. „Ich war im Erzgebirge stationiert, also auch ziemlich weit von meiner Heimat entfernt,“ erzählt mir Sascha. In dieser Zeit war er auch im Einsatz in Afghanistan und dort ist er an PTBS erkrankt. Mittlerweile weiß ich, dass die posttraumatische Belastungsstörung so viele Ursachen haben kann, dass es einfach schwer ist, die Erkrankungen miteinander zu vergleichen. Mal kann die direkte Lebensgefahr der Auslöser sein, mal nur die gesehenen Auswirkungen der Bundeswehreinsätze bei anderen Betroffenen. 

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Sascha ist ein feiner, sensibler, aber auch sehr vorsichtiger Mensch. Er bestätigt meine Feststellung, die Sensibilität hat er schon als Kind gehabt. „Die PTBS hat die allerdings verstärkt und es ist schon eine Belastung für mich,“ sagt Sascha „Ich merke das, wenn ich neue Leute kennen lerne, da bin ich am Anfang sehr, sehr vorsichtig, versuche aber trotzdem dem Menschen offen gegenüberzutreten.“

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Zu Beginn unseres Shootings habe ich die Aufregung und Nervosität auch bei Sascha gut spüren können. Aufgewühlt, innerlich aufgeregt ist er meinen Anweisungen beim Fotografieren gefolgt. Sascha wurde mit der Zeit ruhiger, dass fotospazieren hilft dabei immer. 

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Sascha hat einen Antrag auf Wiedereinstellung gestellt, um nach Einsatzweiterverwendungsgesetz einen Neustart zu beginnen, denn momentan ist er krankgeschrieben und arbeitsunfähig. Nachdem ich das jetzt so alles, von Sascha nach und nach erfahre, frage ich ihn, was er von Menschen erwartet, was andere Personen in seinem Umfeld für ihn tun können. „Einfach nur zu hören und mir Zeit schenken,“ antwortet er kurz und knapp. Aufmerksamkeit ist das Schlagwort für ihn.

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Bei seinem letzten Klinikaufenthalt hat Sascha jemanden kennen gelernt, dem er vertrauen kann, der ihm zuhört und der ihm Zeit schenkt. Bester Freund - so nennt er ihn und das trifft den Nagel auf den Kopf. Egal ob erkrankt oder gesund, einen besten Freund braucht einfach jeder. Schön das Sascha ihn gefunden hat. Einen der ihn nicht im Stich lässt und spürt, wenn Hilfe benötigt wird.

Sascha Kretzschmar und Stephan Kremer beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Sascha Kretzschmar und Stephan Kremer beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Meine ❤️Fotos von den zwei Freunden

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

2013, nach Afghanistan, hat Sascha sich zuerst ganz normal gefühlt, vielleicht etwas bedrückt, aber sonst normal. Erst 2017, die Bundeswehr bereits verlassen, spürte er, dass es so nicht weitergehen kann. „Irgendwas stimmt mit dir nicht, du veränderst dich komplett,“ hat Sascha bei sich festgestellt. Er suchte sich Hilfe und ging in eine Klinik.

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Und nun die Hoffnung, durch die Rückkehr zur Bundeswehr, bessere Hilfe zu bekommen, denn in der Gesellschaft ist es ein Tabuthema. „Die Gesellschaft hat das noch nicht so angenommen,“ stellt er fest. Sascha ist Sascha und das möchte er gerne allen so zeigen. Daher ist sein Wunsch, nach einem unbeschwerten Leben, einem Leben, das nicht täglich durch einen Kampf im Kopf oder soll ich sagen, Krieg im Kopf, dominiert wird.

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Freude pur als er von Stephan Kremer einen limitierten Coin überreicht bekommt. 

Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Was braucht es aber dazu, was benötigt ein Mensch wie Sascha, um seinen KiK loszuwerden?

Dazu ist die Bandbreite fast unendlich. Von Therapien bis hin zu Gesprächen unter Kameraden ist das Angebot zwar vorhanden, aber leider noch zu wenig für die große Zahl der Einsatzversehrten. Für Sascha ist es aber auch seine Tochter, die ihm Mut gibt und sagt: „Papa, wir schaffen das zusammen! Papa, wir sind nicht mehr alleine, wir haben ja uns!“ Und er spricht von seiner 9-jährigen Tochter. Und Sascha weiß genau, dass seine Tochter eigentlich ein unbeschwerteres Leben verdient hätte und nicht wie ein „Spürhund“ auf ihren Papa aufpasst.

Sascha Kretzschmar und Stephan Kremer beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Ich bin Sascha so dankbar für das offene Gespräch und jetzt holen wir zum Schluss noch Stephan dazu, einem unserer ersten Gesichter des Lebens. Stephan ist so dankbar, dass er durch dieses Projekt den Mut bekommen hat, diesen Weg mit KiK, seinem Musiklabel, so erfolgreich zu sein.

 

Stephan und Sascha haben sich im Veteranenverein kennengelernt und für Sascha sind die Lieder, die Stephan unter dem Namen Mazibora - Krieg im Kopf singt, genau das, was Sascha spürt. „Stephan ist seitdem mein Bruder!“ Bruder im Herzen, Bruder im Leben! Durch diese Freundschaft ist es Sascha viel leichter gefallen, endlich über sich und seine PTBS zu reden.

 

„Ich bin Sascha, ich habe PTBS!“ Sascha‘s Hoffnung ist es aber auch durch die Rückkehr zur Bundeswehr, seine gesundheitliche und finanzielle Situation in den Griff zu bekommen. Denn die tägliche Situation nagt an ihm. Therapeuten, die sich mit PTPS auskennen, zu finden ist sehr schwer. Die Bundeswehr hat da besser Möglichkeiten. Aber auch die Absicherung ist es, die Sascha mit der Bundeswehr verknüpft. Wenn ich das alles so überlege, hoffe ich, dass mit dem Projekt "Gesichter des Lebens" ein kleiner Schritt zu einer Normalität für alle Einsatzgeschädigten erfolgen kann.

Sascha, ich hoffe, dass die Bundeswehr dich wieder aufnimmt und dich unterstützt, so wie du dein Land am Hindukusch unterstützt hast .

Sascha Kretzschmar und Stephan Kremer beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

 Um viel mehr von Sascha zu erfahren,

hört dazu gerne auch das Interview zum Shooting hier auf der Website.

Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil meines Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit . 

Fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S, Sascha Kretzschmar beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Danke Sascha. Alles Liebe und Gute weiterhin für Dich und deine kleine Familie lieber Sascha ❤️! 

Herzlich Willkommen am großen Tisch von „Gesichter des Lebens“.


Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen und ihren Wegbegleitern gehe ich einen weiteren Schritt. Zu wissen das unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich die Menschen liebe und gerne fotografiere.

 

Soldat und Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen. Auch hier in unserem neuen BILDBAND

 

Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen und mir immer wieder Tipps geben zu meinem Fotoprojekt. Ein dickes Danke an Jürgen der sich verantwortlich zeichnet für den Text.Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke ❤️. 

 

Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.

„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“

Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!

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Kommentare: 3
  • #1

    Susanne meier (Samstag, 13 Mai 2023 13:33)

    Beeindruckend ... freue mich auf weiteres zu diesen humanitären Fotoprojekt.
    Hochachtung an Sie Frau Skrzypczak für die Fotografie und an Sie Sascha für den Mut mit Ihrer seelischen Erkrankung in die Öffentlichkeit zu gehen.
    Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Liebe.
    Grüsse sendet Susanne Meier

  • #2

    Kristiane huber (Samstag, 09 Dezember 2023 10:46)

    Mein Sohn ist auch kriegsveteran und schwer an ptbs erkrankt. Dadurch weiss ich halbwegs was los ist, und ich bin in meinem Alter total von Stephan seiner Musik begeistert, höre es wirklich jeden Tag. Bei dem Video veteranentag ist mein Sohn auch dabei.

    Ganz liebe Grüße
    K. Huber

  • #3

    Daniela Skrzypczak (Samstag, 09 Dezember 2023 11:04)

    Liebe Frau Huber,

    haben Sie ganz ganz ganz viel Dank für Ihren Kommentar, der mich unwahrscheinlich gerührt hat. Bitte melden Sie sich nochmals bei mir hier über die Kontakt Seite https://www.gesichter-des-lebens.de/kontakt vielleicht hat ja auch ihr Sohn Freude, Mut und ein bisschen Lust auf sein Gesichter des Lebens Shooting oder mit seiner tollen Mama. Mit der Musik das gebe ich so an Stephan weiter. Ich wünsche Ihnen und Ihren Sohn alles Liebe. Daniela