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Veteran Dirk Meyer-Schumann

Ich treffe mich mit Dirk in einem Park mitten in Berlin, auf mich kommt ein großer Bundeswehrsoldat zu, vorsichtig, aber bestimmt. Wir kennen uns persönlich noch nicht. Aber auf uns wartet ein gemeinsames Fotoshooting. 

Dirk hat den Mut als Erster bei meinem Fotoprojekt „Gesichter des Lebens“ mitzuwirken. Die Aufregung ist ein bisschen beidseitig. Er kommt von einem Termin mit dem Deutscher BundeswehrVerband (DBwV), Thema Veteranen und in diesem Zusammenhang ist das Shooting auch entstanden, kurzfristig und ich bin sehr dankbar das Dirk so spontan zugesagt hat. 

 

Dirk Meyer-Schumann war mehrere Male im Auslandseinsatz. Er ist ein sogenannter Afghanistan-Veteran, hat dabei auch das Land und die Menschen kennengelernt. Er erlebte dabei aber auch Anschläge - verwundete und gefallene Kameraden.

Sein Beruf hinterließ bei ihm Spuren. Er leidet an einer posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Diese Krankheit veränderte sein Leben - und das seiner Familie. Die Veränderungen sind langsam, schleichend. Oft zeigen sich die Symptome erst mehrere Jahre nach dem Einsatz. Für Soldaten ist es schwer, sich einzugestehen, Hilfe zu benötigen. Es passt nicht zum Selbstbild, denn sie müssen ja funktionieren – stark sein.

Aber eben das sind sie nicht nur, sie sind Mensch – die fühlen, spüren und auch Ängste haben.

Veteran Dirk Meyer-Schuman beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

 

Dirk sitzt mit mir im Herbstlicht, mitten in einem Stadtpark und ich fotografiere und Dirk erzählt. Lächelt, wird nachdenklich und wird kurz still, ehe er weiterspricht. Ich versuche das Shooting so leicht wie möglich zu gestalten und ihm mitten im Raum / der Stadt zu zeigen. Das Selbstverständliche, das Soldaten oder wie er auch Veteranen ganz normal zu unserer Gesellschaft gehören. Ich möchte den Austausch mit den Menschen, die im Park und auf der Straße unterwegs sind. 

Veteran Dirk Meyer-Schumann fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S

Beim Shooting kommen wir immer auf dieses wichtige Thema der Wertschätzung und Wahrnehmung. Warum nehmen die Menschen die Soldaten / Veteranen nicht wahr. So wie es ganz normal ist, Du bist Feuerwehrmann, Du bist Polizist … 

Und da ist Lucy, Lucy ist seine Assistenzhündin die Ihm einen „Tagesablauf“ gibt. Er ist gezwungen, mit ihr rauszugehen. Sie kann er zu „pluppern“, sie hört ihm zu, sie begleitet ihn und gibt ihm Halt. Gleichzeitig Ruhepool und Nähepool. 

 

Denn der Krieg hat Spuren hinterlassen. Dirk Meyer-Schumann hat sein Problem - posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), das niemand sieht. Lucy aber spürt es, sie ist da wo Dirk ist. Und Lucy absolviert in ein paar Wochen Ihre Prüfung zum Assistenzhund. Und sie wird es mit Dirk`s Unterstützung schaffen. Dirk hat sich dazu entschieden, Lucy in Zusammenarbeit mit einer Hundetrainerin selbst auszubilden. Dieser Lernprozess erforderte die letzten zwei Jahre viel Kraft und Ausdauer und wegen seiner Einsatzschädigung viel viel mehr Energie. Aber er hat dies so toll und klasse gemacht, dass er mächtig stolz sein kann was er geschafft hat

 

Lucy ist oft die Einzige, die ihm bei seinem unsichtbaren Problem helfen kann. Trotzdem geht es nicht ohne Medikamente und immer wieder auch Aufenthalte zur Therapie im Krankenhaus. All das, was er erlebt hat, bleibt. 20 Prozent sind im Bewusstsein, 80 Prozent sind irgendwo vergraben und wirken nach im Leben von Dirk und den anderen Veteranen. 

fotografiert Nikon Z7II + Z6II Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S + Nikkor Z 85mm 1,8 S
Gemeinsam im Park zu laufen während des Shootings ist ein gutes Gefühl und ich spüre das es Dirk gut tut

Ich mache mir vorher ein paar Gedanken zu dem was im Moment im Kopf der Menschen / Veteranen, die im Einsatz in Afghanistan waren vorgehen muss. Von Wut über Verzweiflung bis zur Traurigkeit sind da bestimmt alle Gefühle dabei. Und es werden sich viele die Frage stellen, war es das wert? Und nein, ich habe Dirk die Frage beim Fotografieren nicht gestellt, sondern ihm andere Fragen gestellt, die Ihr hier lesen könnt.

 

01 Gesichter des Lebens ... was fällt Dir als Erstes dabei ein, wenn Du diese Worte hörst?

Mein Gesicht hat sich verändert. Es sind durch das jahrelange „Skin Picking“ Narben sichtbar geworden. Das Lächeln ist verschwunden und Sorgenfalten dazu gekommen. Das Gesicht ist runder geworden… Die Unbeschwertheit der Jungend ist gewichen.

02 Beschreibe dich mit drei Worten bitte

Suchender

Gezeichneter

Verbrauchter

 

03 Was ist für dich in deinem Leben das Wichtigste?

Das meine Kinder und meine Frau gesund sind und ich alle Gefahren und Sorgen von Ihnen abhalten kann

04 Wie bist du zu dem Shooting gekommen und hast du (zu Beginn des Shootings) irgendwelche Zweifel gehabt?

Durch meine Kontakte zum Bundeswehrverband. Ich habe große Zweifel und Angst gehabt, da dieses mein Alltag bestimmt.

05 Wie hast du dich während des Shootings gefühlt?

Zuerst verunsichert. Ich schäme mich in meinem Körper und hatte große Bedenken das ich mit den Bildern und Dir, Daniela als Mensch nicht klarkomme. Das hat sich im Laufe der Zeit gelegt.

06 Wie ging es dir als du deine Fotos zum ersten Mal gesehen hast?

Ich war erschrocken wie alt ich geworden bin und die Spuren zu deutlich sind. Die Bilder sind toll, nur der Mensch, das bin nicht ich.

07 Was bedeutet es Dir Veteran zu sein?

Veteran ist eine Auszeichnung und Brandmarke zugleich. Veteranen verbinde ich immer mit Kampf und Krieg und mit amerikanischen Soldaten die wertgeschätzt werden. 

08 Welches wäre für dich die wichtigste Verbesserung in der deutschen Veteranenkultur?

Das wichtigste wäre das Wort Veteranen in die Gesellschaft zu integrieren, politisch dazu zu stehen und gesamt verantwortlich mit den Menschen dahinter umzugehen. Ein einheitliches Veteranenkonzept welches von Veteranen für Veteranen gemacht wird. 

09 Wie siehst du dich als Soldat in der deutschen Gesellschaft? 

Ich habe mich früher mit Stolz in der Gesellschaft gesehen und habe förmlich die Blicke und Gedanken der Menschen in mich aufgesogen, um daraus zu wachsen. In meinen Einsätzen im Inland und im Ausland war ich dann das was ich sein wollte, ein „Helfer“. Die Uniform hat immer Stärke und Verpflichtung gezeigt. Nach meiner Öffnung zu meiner Schädigung habe ich mich als „Ballast in Uniform“ gesehen. So ist es heute noch, obwohl ich versuche, daraus für meine Kameraden zu neuer Stärke zu kommen.

10 Was würdest du anderen Veteranen sagen, warum Sie dieses Shooting machen sollen?

Weil jeder durch dieses Shooting sich selbst im Spiegel festhält und sehen kann, da steht ein Mensch, ein wichtiger Teil. Ich würde sagen, ihr habt es bis hierhergeschafft und das ist was Großartiges. Zugleich können alle zeigen … „wir sind Teil einer Gesellschaft, wir sind nur innerlich gebrochen, aber nicht gebrochen, um zu leben und zu kämpfen. Der Krieg mag Spuren hinterlassen haben und unser Gesicht nicht mehr dasselbe sein, aber du bist du und so bist du wertvoll.

Alle Veteranen in diesem Projekt können dazu beitragen, um in der Gesellschaft aufzugehen und durch unsere Bilder Geschichten erzählen. Das Buch dazu muss aber jeder Betrachter selbst schreiben.

Unser Gespräch und das Zuhören während des Shootings habe ich mit aufgenommen und ich werde es hier auszugsweise auch mit veröffentlichen. Auch dieses Zuhören ist ein Teil meines Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“, den Menschen Zeit zu schenken. 

Auf die Frage, was macht dich glücklich, schweigt Dirk kurz, bevor er antwortet: "Meine Familie, das Lachen meiner Kinder und Lucy." 

„Und weißt Du was Daniela: Danke das Du mich ein bisschen zum lächeln gebracht hast“ … mehr muss für mich als Mensch und Fotografin nicht. 

Veteran Dirk Meyer-Schumann fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Veteran Dirk Meyer-Schumann fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Das Shooting wirkt noch lange nach bei mir, auch wie stolz Dirk sein kann, den Mut zu haben sich mit mir als fremder Mensch spontan zu einem Fotoshooting zu treffen. Dieses einlassen, vertrauen und sich zu öffnen und öffentlich zu seiner Einsatzschädigung zu stehen und über seine Ängste auch zu sprechen – wie mutig. Danke das wir uns getroffen haben


Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Veteranen gehe ich einen weiteren Schritt. 

Und zu wissen das mein neues Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich die Menschen liebe und gerne fotografiere.

 

Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen.

 

Ich möchte noch Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen und mir immer wieder Tipps geben zu meinem Fotoprojekt. Danke an den Mann in meinem Leben den ich liebe, danke an meinem Sohn der mich auf die Veteranen aufmerksam gemacht hat, danke an Carmen mit der ich in Ihrer bunten WG die wunderbaren Menschen / Senioren fotografieren durfte. Danke an Simone und Heike meine Fotografinnen Gang und wunderbare Freunde und Frauen. 

 

Lasst uns weiterhin bitte die Gelegenheiten nutzen, ein Stückchen "besser" zu werden, Prioritäten anders zu setzen, unseren Mitmenschen mit Rücksicht und Liebe zu begegnen und bestenfalls die eigenen Bedürfnisse ein klein wenig zurückzustecken ❤️. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke. 

 

Fotografiert wurde mit meiner neuen Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.

„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“

Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!

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Kommentare: 12
  • #1

    Martin (Montag, 04 Oktober 2021 22:12)

    Liebe Daniela,
    ich habe nicht gedacht das es Fotografien einmal schaffen das ich Montagabend Tränen in den Augen habe. Bei Ihrem neuen Projekt, den Fotos und dem Gesamten habe ich es.
    Danke für das was Sie tun, danke für die Fotos die soviel Menschlichkeit zeigen, danke für Ihre Menschlichkeit und danke fürs zeigen. Ich hoffe das viele Menschen Ihr Projekt sehen, teilhaben und tragen.
    Liebe Grüsse sendet Ihnen Martin

  • #2

    Manuela (Dienstag, 05 Oktober 2021 12:22)

    Hallo Frau Skrzypczak,
    ich habe Tränen in den Augen und kann Ihnen nicht Dank genug sagen.
    Mein Mann ist auch Soldat - Veteran und wir haben Ihren Artikel und die Worte von Herrn Mayer-Schumann gemeinsam geschaut und gehört.
    Mich haben die menschlichen lächelnden Fotos so gerührt das ich Ihnen nun einfach schreiben muss. Ich sage so so danke. Danke Manuela aus Bayern.

  • #3

    Detlef Müller (Dienstag, 05 Oktober 2021 17:18)

    Beeindruckend ... freue mich auf weiteres zu diesen humanitären Fotoprojekt.
    Hochachtung an Sie Frau Skrzypczak
    sendet Detlef Müller

  • #4

    Sandra (Dienstag, 05 Oktober 2021 18:10)

    Liebe Daniela ich bin sehr beeindruckt und tief berührt
    Danke an alle die bei diesem Projekt mitarbeiten

    Sandra / Österreich

  • #5

    Andrea (Dienstag, 05 Oktober 2021 19:13)

    Das ist sehr berührend und beeindruckend. Tolle Arbeit! Ich wünsche Dirk alles Gute! Schön, dass Lucy an seiner Seite ist.

  • #6

    Daniela Skrzypczak (Mittwoch, 06 Oktober 2021 07:19)

    Lieber Martin, liebe Manuela, lieber Detlef Müller, liebe Sandra und Andrea,
    ganz lieben Dank das Ihr hier bei meinem neuen Projekt mit dabei seit und ja ich bin selbst sehr beeindruckt was ich so mit meiner Fotografie erreichen kann. Und wenn mir so wie Dirk sagt "danke Dani Du hast mich ein klein wenig zum lächeln gebracht".
    Ich freue mich sehr auf die weiteren Menschen / Veteranen zu fotografieren, ihre Geschichte zu erzählen und sie als Menschen mehr in unsere Gesellschaft zu zeigen.
    Alles Liebe Daniela

  • #7

    Edda (Mittwoch, 13 Oktober 2021 15:28)

    Hey Dani,

    Dankeschön für diesen Bericht. Es ist so wichtig, alle Menschen im Blick zu behalten. Dieses Foto-Projekt ist der richtige und wichtige Schritt!
    Könntest Du Dirk noch folgendes ausrichten?
    Beim Anschauen der Bilder dachte ich, wie jung er aussieht und wie dynamisch und auch sympathisch. Ich war ganz erstaunt, dass er sich anders wahrnimmt als ich (hier außen).

  • #8

    Marcus (Mittwoch, 20 Oktober 2021 01:08)

    Hallo,
    vielen Dank für diesen Bericht. Ich war auch im Einsatz mit der Bundeswehr, allerdings -und Gott sei Dank - nicht in einem Kriegseinsatz. Es war für mich etwas Sinnvolles, das von der Welt kaum wahrgenommen wurde, mich aber in gewisser Weise geprägt hat - izum positiven. Ich habe keine gesundheitlichen Schäden durch diesen Einsatz erlitten. Im Gegenteil: viel Positives mitgenommen. Ich würde Dich gerne einmal persönlich kennenlernen. Gruß und Glück ab.
    MARCUS

  • #9

    Daniela (Mittwoch, 20 Oktober 2021 16:55)

    Meine liebste Edda so lieben Dank für deinen Kommentar und Dirk wird es schon gelesen haben :-).

  • #10

    Daniela (Mittwoch, 20 Oktober 2021 16:58)

    Hallo Markus danke für deinen Kommentar und schreibe mir doch bitte hier https://www.gesichter-des-lebens.de/kontakt/ deine Kontakt Daten die ich dann gerne an Dirk weiterleiten werden.
    Alles Liebe Daniela

  • #11

    Martin (Montag, 08 November 2021 14:59)

    Hallo Daniela,
    habe von dem Projekt im Journal des DBwV erfahren. Bin begeistert, weil ich es wichtig finde, diese Geschichten und Bilder unserer Veteranen (w/m) viel weiter zu verbreiten. Bin selbst 41 Jahre Soldat und natürlich auch im Einsatz gewesen. Habe das Glück, körperlich und seelisch nicht verletzt worden zu sein, weiß aber sehr wohl, wie schnell das geht... Gerade Dirk, als Vertreter der Infanterie der Luftwaffe steht mir hier gedanklich sehr nahe, denn mein Sohn (2 Einsätze Afgh + Mali) ist noch aktiv dabei und dient beim Objektschutz Lw. Und Einsätze gibt's dort auch für ihn immer wieder... Auch für Eltern nicht leicht. Horrido!
    Martin

  • #12

    Peter W. (Dienstag, 09 November 2021 17:36)

    Leider fehlt in unserem Land seit Jahren eine Kultur des Umganges mit Soldaten, Polizisten und ähnlichen Berufen. Es gibt kein bewusstes Wahrnehmen von Menschen in Uniform. Auch durch die Politik wird nichts getan um einen angemessenen Umgang mit den Dienenden und den Veteranen zu fördern. Sie werden im günstigsten Fall nur Ignoriert oder schlimmer noch auch noch angefeindet.
    Du schaust in ein Gesicht. Die Narben auf der Seele siehst Du nicht. Keiner sieht wie es Dir geht,niemand hilft Dir . Du bist der einzige der Dir helfen kann. Suche Dir Unterstützung.
    Du wirst das erlebte nie vergessen, keiner kann Dir die Last abnehmen.
    Du kannst nur lernen mit der Last zu leben.