· 

Natalie

Gesichter, für mich erzählen sie Geschichten, zeigen das Leben des Einzelnen auf. Gesichter sind rund oder lang, schmal oder füllig. Für mich sind Gesichter die Grundlage unseres Projektes, es sind Gesichter des Lebens.

 

Ihr fragt euch sicher, warum ich euch das erzähle. Es hat einfach einen Grund und hat mit meinem nächsten Shooting zu tun. Mein Gegenüber ist weiblich, Soldatin im CIR (Cyper und Informationsraum) und alleinerziehende Mutter eines 14-jährigen Sohnes. Sie trägt eine Heeresuniform, was aber als Frau eher eine Seltenheit ist. Im Heer beträgt der Anteil Frauen gerade mal 7,3 % und darf damit immer noch als Ausnahme tituliert werden. Aber diese Frau ist ganz außergewöhnlich. Was das genau ist, wie ihr Leben verlaufen ist und welche Schicksalsschläge sie hinnehmen musste und trotzdem voller Lebenslust ist, werdet ihr erfahren. Aber zuerst sollt ihr sie kennen lernen.

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

„Ich bin Nathalie, Frau, Mutter und Soldatin,“ so steigt sie in ihre persönliche Vorstellung ein. „Ich bin 39 Jahre alt und habe einen Sohn von 14 1/2 Jahren, ich bin alleinerziehende Mutter beim Militär mit verschiedenen Hintergründen, als Wiedereinsteller in die Bundeswehr eingetreten“.

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Ihr Sohn Pepe, ein selbstbewusster, ganz toller junger Mann, hat seine Mutter von Flensburg, ihrer Heimat, nach Berlin begleitet, um gemeinsam das Shooting durchzuführen.

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Natalie gehörte zu dem 28. deutschen Einsatzkontingent Mali. Es war aufgrund einer freiwilligen Bewerbung und trotz einiger Startschwierigkeiten, ist es ihr gelungen, ihren Einsatz bis zum Schluss durchzuführen. Dabei war ihr Sohn, der ja zu Hause bleiben musste, die große Herausforderung. 

 

Nathalie, so vertraute sie mir an, verlor mit 25 alles, was sie liebte, ihre Familie, weitere Verwandtschaft hattet sie keine. Sie trennte sich von ihrem Mann und nahm ihr Kind und war seitdem auf sich allein gestellt. „Ich habe ein anderes Format für mein Leben gewählt,“ erklärt sie mir. Dabei spielte in ihren Planungen auch der Auslandseinsatz eine Rolle, aber ihr Exmann, der, wie sie selber sagt ein Könner im Sabotieren ihrer Lebensplanung war, verhinderte zuerst die Möglichkeit, freiwillig in den Einsatz zu gehen.

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Erst als sich ihr Privatleben etwas beruhigt hatte, hat sie den Antrag stellen können.

Alles war abgesprochen, aber drei Wochen vor dem Einsatz 2021 hat er sie wissen lassen, dass er es ablehnt und nicht auf ihren Sohn während ihrer Abwesenheit aufpassen würde. Aber wozu sind Freunde da? Ihr bester Freund und die beste Freundin ihrer Mutter, sie wird nur „bunte Tante“ genannt, sind eingesprungen und haben Pepe übernommen.

 

Ich muss jetzt kurz Pause machen, dieser kurze Ausschnitt der Lebensgeschichte von Nathalie fordert mich ganz schön. 

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Auch wenn es sich im Nachhinein so einfach liest, weiß ich, da ich selbst ja Mutter eines erwachsenen Sohnes bin, was Natalie in dieser Phase durchgemacht haben muss und mit welchen Gefühlen sie in den Einsatz gegangen ist. Auch wenn Natalie sich sicher war, dass Pepe gut aufgehoben war, war es dennoch eine echte Hausnummer.

Und wenn eine Mutter das schon so sieht, fragt natürlich jeder, wie es Pepe dabei ergangen ist, welche Gedanken ihm durch den Kopf ging. „Mein erster Gedanke war, Mama ist lange weg! Mein zweiter Gedanke war, aber sie hat endlich, dass, was sie schon lange machen wollte!“ erklärt mir Pepe völlig abgeklärt. Allein die ersten Sätze zeigen mir, wie weit Pepe bereits entwickelt ist und wie erwachsen seine Gedanken bereits sind. Ihm waren bei den Vorbereitungen zwei Dinge wichtig, 

Mama‘s Wunsch und für ihn in derzeit ein Umfeld zu schaffen, bei dem er sich wohlfühlen würde.

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

 

Bei Nathalie ist dieser Spagat spürbar. Auf der einen Seite ihr Sohn, das Wichtigste in ihrem Leben und auf der anderen Seite die Kameraden, die sich auf sie verlassen und sie brauchen. In diesem Zwiespalt eine neue Lösung zu suchen, die Beides erfüllt, war eine echte Herausforderung.

Und jetzt den Blick zurück, zeigt dass es geklappt hat, aber die Angst um das eigene Kind begleitet einen jede Minute während der Abwesenheit. „Ich gehörte zum Transportteam der Bundeswehr, sprich in dem Fall Einsatz als TraBo, ich fahre Eagel IV und V ich bediene die FLW 100 wie 200, also das ganze Waffensystem, das heißt ich bin im Außendienst tätig,“ erzählt sie. „Es ist eine unglaubliche Erfahrung, da brauchst du viel Selbstkontrolle, du brauchst inneren Frieden und du brauchst definitiv keine Gedanken an zu Hause,“ erklärt mir Nathalie sehr nachdrücklich. 

Auch wenn ich ungern unterbreche, bin ich euch Erklärungen schuldig. Die Bundeswehr transportiert ihr Material im Einsatz auf eigenen Fahrzeugen, vom LKW bis zum gepanzerten Eagel, einem regelrechten Alleskönner. Der Eagel wird offiziell geschütztes Führungs- und Funktionsfahrzeug genannt. Die Bundeswehr hat 670 Fahrzeuge der Serie IV und V, die entweder mit der Fernbedienbaren Leichten Waffenstation FLW 100 sprich Maschinengewehr oder 200 sprich einer Granatmaschinenwaffe oder einem schweren Maschinengewehr ausgestattet ist. So dass mal für unsere Technikfreaks, ich hätte es nicht gebraucht und wäre auch ohne diese Erklärungen ausgekommen. Aber jetzt geht es weiter mit Nathalie und Pepe.

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Erstes ❤️Foto bei unserem Shooting

Im Nachhinein lässt sich feststellen, dass die Bundeswehr halt keine abrufbare Nanny hat, Gelder für Betreuung ab 12 Jahren nicht mehr bezahlt und der Sozialdienst eine wichtige Stütze vor und nach dem Einsatz, bei der Erstellung der notwendigen Anträge war. Somit ist auch bei und mit Nathalie ein Rückblick wichtig, um Verbesserungen zu erarbeiten.

 

Für Nathalie ist das vor allem die Unterstützung auch über das 12 Lebensjahr hinaus, für Soldaten, die wirklich alleinerziehend und somit ohne unterstützende Familie im Umfeld sind. Sie meint damit tatsächliche Betreuung und finanzielle Hilfen für die Kinder. Nathalie hat auch im Nachgang ihres Einsatzes eine Kur machen dürfen. Zuerst musste sie den Aufenthalt von Pepe selber bezahlen, später hat sie es zwar erstattet bekommen, aber mitmachen durfte Pepe nicht. Er hat die Vormittage auf dem Hotelzimmer verbringen müssen, während sie Sport und Therapie mitmachte. Ob das so richtig ist, naja, ich bin mir da nicht so sicher.

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Eins bin ich euch zum Abschluss aber noch schuldig. Nathalie ist nicht nur eine bildschöne Frau und Mutter, der Kleider sehr gut stehen, sie hat auch noch ein zweites Gesicht, dass sie zeigt, sobald sie ihre Uniform trägt. Wenn ich nicht selber die Bilder gemacht hätte, hätte ich zweimal hinschauen müssen, um in diesen Fotos die gleiche Nathalie zu sehen. Wie oft musstet ihr dabei hinschauen? Seid ehrlich!

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Zweites ❤️Foto beim Shooting

Natalie beim Shooting "Gesichter des Lebens"

Natalie als Soldatin in der Kampfunterstützungstruppe hat natürlich im Einsatz viel erlebt. Spannendes, gefährliches und nervenaufreibendes war ihr tägliches Brot und so musste sie nach ihrer Rückkehr auch als Soldat wieder ankommen, das erlebte verarbeiten und sich im soldatischen Alltag wieder zurechtfinden. Aufgrund ihrer schlimmen Erfahrungen in ihrer Kindheit inklusive körperlichen und seelischen Misshandlungen, ist sie mit einer PTBS in die Bundeswehr gekommen und hat im Vorfeld ihr Seelenheil neu geordnet. Die Erlebnisse im Einsatz waren für sie gut zu verarbeiten, so dass sie ohne weitere Belastungen zurückgekehrt ist. Auch wenn sie die Geschichten der einsatzgeschädigten "Gesichter des Lebens" wahrnimmt, hat für sie der Einsatz andere Veränderungen bewirkt. Sie kann Oberflächlichkeit nicht mehr ertragen und nimmt einfach Abstand davon und das mit Leichtigkeit. 

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Pepe weiß, dass er eine starke Mama hat. Daher wundert es nicht, dass er sagt:

Ich liebe meine Mama dafür, dass sie meine Mama ist!“.

Natalie und Pepe beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie und Pepe beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Natalie und Pepe beim Gesichter des Lebens Fotoshooting
Natalie und Pepe beim Gesichter des Lebens Fotoshooting

Mein drittes ❤️Bild

 Um viel mehr von Natalie und Pepe zu erfahren,

hört dazu gerne auch das Interview zum Shooting hier auf der Website.

Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil unseres Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit . 

Natalie beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Ich glaube, diesmal war es ein bisschen schwieriger, euch diesen emotionalen Shootingtag wiederzugeben. Daher kann ich euch nur empfehlen, dass ihr euch unbedingt dieses Interview anhören solltet.

 

Und zum Schluss muss ich mich bedanken bei diesen beiden Menschen, für ihr tiefes Vertrauen und ihre Offenheit.

Liebe Nathalie und lieber Pape, herzlich willkommen am Tisch von Gesichter des Lebens. Ganz viel Liebe für Euch. 


Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen und ihren Wegbegleitern gehe ich weitere Schritte. Zu wissen das unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich Menschen liebe und gerne fotografiere.

 

Soldat und Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen. Auch hier in unserem neuen BILDBAND

 

Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt.

 

Ein dickes Danke an Jürgen der sich verantwortlich zeichnet für den Text. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke ❤️. 

 

Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.

„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“

Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Sabina (Dienstag, 05 Dezember 2023 19:06)

    Was für Fotografin und das kann nicht ein und dieselbe Frau sein.
    Mein Hochachtung für den Fotos und das Interview lese und höre ich morgen.
    Danke Natalie für deinen Mut und ich winke einer starken Kameradin.
    Sabina

  • #2

    Meike (Dienstag, 05 Dezember 2023 21:13)

    Wow was für ein Shooting und Interview, ich bin absolut begeistert. Die Fotos sind der Hammer ... man stellt sich wirklich die Frage ob dies die gleiche Frau und Kameradin ist. Ich habe lange nicht solche Fotos gesehen, nun höre ich der Kameradin gerne noch zu im Interview.
    Danke Natalie für deinen Mut, Offenheit das Du Daniela die Möglichkeit gegeben hast dich zu porträtieren. Danke an deinen Sohn Pepe.
    Danke Daniela für diese grossartigen Fotos.
    Danke Jürgen für diese besonderen Texte.
    Danke das es Gesichter des Lebens gibt und Ihr bitte nicht aufhört damit.
    Einen kameradschaftlichen Gruss sendet Meike

  • #3

    Nani (Mittwoch, 06 Dezember 2023 09:09)

    Liebe Natalie, ich möchte dich und Pepe herzlich einladen, Teil unsere Familie zu werden❣️

  • #4

    Melanie (Sonntag, 10 Dezember 2023 21:30)

    Nathalie ist ein Stück meines Herzens. Ich durfte ein Teil ihres Lebens werden und ich bin dankbar dafür, obwohl wir uns sehr sehr selten sehen. Wir haben vieles gemeinsam erlebt, viele Träumen sind geflossen aber auch viel gelacht. Der Artikel rührt mich zu Tränen weil Nathalie das Lebt was ich macht. Einen zauberhaften Sohn hat und sie ein unfassbare wundervoller Mensch ist ❤️