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Veteran Mike Schestak

Mike Schestak kommt zum Fotoshooting in mein Fotoatelier ins beschauliche Uelvesbüll nach Norddeutschland gereist. Als er eintritt schaue ich verblüfft an ihm hoch. Dieser Mann nimmt gar kein Ende. Vor mir stehen stattliche 198 cm Mensch.

 

Mike ist 43 Jahre alt und wohnt in Hamburg. Er ist verheiratet und Vater einer neunjährigen Tochter. Mike diente zwischen 1997 und 2005 als Soldat bei der deutschen Bundeswehr, eingesetzt in der Kompanie für Nachschub KRK.

 

Warum bist Du Soldat geworden, Mike? „Ich war so ein richtiges Wendekind und hatte gerade eine Ausbildung begonnen, da ging das Unternehmen pleite. Ich startete also eine zweite Ausbildung und wieder durchkreuzte ein Konkurs des Arbeitgebers meine Pläne. Viele Firmen im Osten ereilte damals das gleiche Schicksal. Also ließ ich mich mustern und wurde mit 18 Jahren Soldat. Im Hilfseinsatz im Jahre 1997 beim Oder - Hochwasser mit etlichen anderen Soldaten wusste ich dass ich hier richtig bin. Dieses Gefühl der echten Kameradschaft war da.“

 

Mike was veranlasste dich in den Auslandseinsatz zu ziehen?

„Mein erster Einsatz war von Mai bis November 1998 bei einem SFOR Einsatz in Bosnien. Ich war junge 19 Jahre alt. Es lockte das Abenteuer! Aus meiner Kompanie waren alle dabei, da machte ich einfach mit. Im Verbund mit den Kameraden zogen wir gemeinsam in die große, unbekannte Welt. Der erste Flug in meinem Leben. Alles war aufregend. Ich war gemeinsam mit meinen Kameraden vor Ort in Bosnien für den logistischen Nachschub der Soldaten verantwortlich“.

Veteran Mike Schestak beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Veteran Mike Schestak beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Mir ist wichtig das ich meine Fotoshootings zu „Gesichter des Lebens“ in der Öffentlichkeit durchführe, um in Kontakt zu anderen Menschen zu kommen. Genau dies geschieht immer wieder. Fotografie die sichtbar macht. 

Mit Mike gehe ich zum fotografieren raus in die Natur. Es ist schon ein bisschen Winter. Mike schaut versonnen hinauf zu den am Himmel vorbeifliegenden Wildgänsen. Das idyllische Ambiente der Landschaft hier in Uelvesbüll mildert seine anfängliche Aufregung spürbar. Ich beginne zu fotografieren und gleichzeitig sprechen wir weiter: „Im Dienst war ich als Fahrer mit meinem Zugführer, der auch Standortkommandant war, viel unterwegs. Dadurch lernte ich auch ein bisschen das Land Bosnien kennen. Während der gesamten sechs Monate im Einsatz dort hatte ich das gute Gefühl, wir bringen mit einer internationalen Mission als Soldat Frieden zwischen den verschiedenen Ethnien. Kinder können wieder zur Schule gehen und lernen.“

Veteran Mike Schestak fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S

Besteht Kameradschaft unabhängig von der Herkunft? „Ja! Die internationale Kameradschaft ist toll. Natürlich kommt man nicht immer mit allen Nationen gleich gut klar. Mit den Amerikanern zum Beispiel fühlten wir uns sofort wie beste Freunde. Wir hatten als erstes Kontigent das Gewehr G36 und die Amis standen darauf.“ Mike`s Augen leuchten bei dieser Erinnerung auf.

 

Wir fotografieren mittlerweile im nahegelegenen Dorf weiter. Sein körperliches Gardemaß stellt mich vor eine gewisse Herausforderung. Ich muss ständig schauen wie ich auf gleicher Höhe mit meiner Kamera zu ihm bin. Doch wir schaffen das ziemlich gut mit der Zeit ☺.

 

Wie ist es wenn man aus dem Auslandseinsatz zurückkommt? „Bei mir war erst Freude. Doch dann bin ich seelisch in ein tiefes Loch gefallen. Da war keiner der mich wirklich verstanden hätte und mit dem ich über die sechs Monate sprechen konnte. Ich bin irgendwie nicht aus der Einfachheit des Lebens in Bosnien wieder im Konsum Deutschlands angekommen. Niemand konnte mich verstehen wenn ich über alles reden wollte. Also sprach ich irgendwann nicht mehr darüber und schloss diese Schublade“.

 

Warum tauscht man sich nicht mit seinen Kameraden aus? „Ich denke man will weiterhin der harte Kerl sein und die Kameraden auch nicht belasten.“

Fotografiert Nikon Z7II + Z6II Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S + Nikkor Z 85mm 1,8 S
Wenn du dein Lieblingsbild deines Modells gefunden hast ... Blick in die Zukunft.

 

Um viel mehr von Mike zu erfahren, hört dazu gerne mit ins Interview zum Shooting hier auf der Website.

Veteran Mike Schestak fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S

Das kühle Dezemberwetter treibt uns inzwischen zurück in mein Fotoatelier. Hier wärmt uns der dampfende Nordfriesentee. Wir fahren in der behaglichen Atmosphäre des Kaminfeuers fort mit unserem Shooting und Interview. „Es folgte ein Einsatz im Kosovo. Gleich war klar - wenn meine Kameraden gehen, dann gehe ich mit. Diesmal spielte Abenteuerlust keine Rolle!

 

Dani, heute ist das erste Mal, dass ich so über meine Zeit der Auslandseinsätze spreche. Es ist schwierig“.

 

Ich schaue Mike Schestak in seine Augen und erkenne darin Angst. Mike versucht auszuweichen mit seinem Blick. Spätestens jetzt weiß ich welche Verantwortung ich als Fotografin trage. Mike schenkt mir sein tiefstes Vertrauen.

 

Mike, hattest du während deiner Zeit als Soldat Zweifel? „Nein und dafür bin ich dankbar! Aber es gab Situationen wo du nur Soldat bist und funktionieren musst, so wie du es gelernt hast.“ Mike wirkt nun melancholisch. Ich bemerke, dass er eine Pause benötigt. Die bekommt er natürlich. In seinen Augen sehe ich Tränen. „Es ist meine Geschichte, die ich das erste Mal erzähle hier bei „Gesichter des Lebens“. Da sind Angst und Scham. Es gab zwei Situationen die grenzwertig waren. Ich kann mich jetzt noch nicht weiter öffnen. Zu wissen dass es bei diesem Fotoprojekt den Kameraden Kremer gibt, das hilft. Ich möchte mein Problem richtig angehen. Dieses Shooting mit dir hilft mir auch dabei.“

Fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S
Fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S

01 Gesichter des Lebens ... was fällt Dir als Erstes dabei ein, wenn Du diese Worte hörst?

Gesichter, welche eine Geschichte erzählen mit Ihren Falten und Augen. Und Gesichter, denen man Ihre Geschichte nicht ansieht. Wie auch immer, es sind Menschen. Diese Menschen (eben auch Veteraninnen und Veteranen) müssen in der Gesellschaft wahrgenommen und akzeptiert werden.

02 Beschreibe dich mit drei Worten bitte

Loyal, verlässlich, hilfsbereit

03 Was ist für dich in deinem Leben das Wichtigste?

Gesundheit für meine Familie und mich.

04 Wie bist du zu dem Shooting gekommen und hast du (zu Beginn des Shootings) Zweifel gehabt?

Ich bin auf Social Media auf das Projekt aufmerksam geworden und es hat mich sofort fasziniert. Die Möglichkeit, Veteraninnen und Veteranen „sichtbar“ zu machen und die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, dass es eben Veteraninnen und Veteranen gibt, unter uns. Als Kollege, als Nachbar und als Freund. Eine Tür aufzustoßen … Zweifel an dem Projekt hatte ich zu keiner Zeit! Eine fantastische Idee!

05 Wie hast du dich während des Shootings gefühlt?

Dani ist ein besonderer Mensch, die es innerhalb kurzer Zeit schafft, Vertrauen aufzubauen. Ich lasse mich tatsächlich ungern fotografieren. Dani hat aber durch Ihre Offenheit und Ehrlichkeit jegliche Bedenken weggewischt und eine Wohlfühlatmosphäre geschaffen, die es leicht machte, über Dinge zu reden und sich dabei fotografieren zu lassen.

06 Wie ging es dir als du deine Fotos zum ersten Mal gesehen hast?

Sprachlos …. Es ist kein Blick in den Spiegel auf einen selbst, es ist ein Blick von außen, auf einen selbst. Die Bilder zeigen Momente, in denen ich mich selbst selten ehrlich wahrnehme. Dani hat diese Momente großartig einfangen können.

07 Was bedeutet es Dir Veteran zu sein?

Es erfüllt mich mit Stolz und auch mit Ehrfurcht, weil ich weiß, was viele Kameradinnen und Kameraden tagtäglich auf sich nehmen, um einen guten Dienst zu leisten. Ich war gerne Soldat, es war für mich Verpflichtung und Ehre.

08 Welches wäre für dich die wichtigste Verbesserung in der deutschen Veteranenkultur?

Eine Anerkennung in unserer Gesellschaft. Keine Glorifizierung, lediglich die Beachtung, dass es da Menschen gibt, die bereit sind und waren, alles zu leisten. Das Projekt „Gesichter des Lebens“ ist ein Wegbereiter in eine andere, hoffentlich bessere Veteranenkultur in unserer Gesellschaft.

09 Wie siehst du dich als Soldat in der deutschen Gesellschaft? 

Ich selbst bin nicht mehr aktiv. Ich sah mich damals in unserer Gesellschaft eher Stiefmütterlich behandelt. Teils wurde man gegrüßt und teils angefeindet, wenn man mit Uniform unterwegs war. Solche Unterschiede sind gut und wichtig, um eine gesunde Gesellschaft zu sein. Aber etwas mehr Akzeptanz hätte ich mir tatsächlich schon gewünscht.

10 Was würdest du anderen Veteranen sagen, warum Sie dieses Shooting machen sollen?

Macht es … Zum einen, um ein Teil von etwas großartigem zu sein. Zum anderen, um Helfer bei der Veränderung zu sein. Wir brauchen eine andere, bessere Veteranenkultur.

Unser Gespräch während des Shootings habe ich aufgenommen und ich veröffentliche es hier. Zuhören ist ein wichtiger Teil meines Fotoprojektes „Gesichter des Lebens“. Ich schenke den Menschen Zeit und meine volle Aufmerksamkeit . 

Veteran Mike Schestak fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"
Veteran Mike Schestak fotografiert Nikon Z7II und Nikkor Z 50mm F/1: 1,2 S beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Deutlich wird mir abermals bewusst wie wichtig „Gesichter des Lebens“ für die Menschen, Soldaten, Veteranen ist.

 

Mike erzählt mir von seiner Tochter. Die Neunjährige fand kürzlich Fotoalben von Ihm mit Fotos aus seiner Zeit beim Militär. Sie wollte natürlich mehr darüber wissen. Er will ihr später alles darüber erzählen, wenn die Zeit dafür reif ist. Mike spricht bildlich über den Stand in der Gesellschaft als Veteran. „Du als Fotografin machst Türen nach zwei Seiten hin auf, für uns Soldaten und Veteranen und auf der anderen Seite für die Menschen, die uns ein bisschen kennenlernen möchten. Barrieren können dadurch fallen. Gleiches könnte z.B. auch durch einen Veteranentag, öffentliche Vorträge, Treffen und Veranstaltungen direkt in Gemeinden und Städten geschehen. So könnte sich langsam das allgemeine Verständnis entwickeln - Soldaten machen ihren Job für Deutschland“.

Veteran Mike Schestak fotografiert Nikon Z6II und Nikkor Z 85mm F/1: 1,8 S beim Fotoshooting "Gesichter des Lebens"

Ich frage Mike Schestak abschließend nach seinem Wunsch für die Zukunft. Die Antwort benötigt ein paar Augenblicke: „Mach meine Frau gesund!“ (Mike's Frau ist an MS erkrankt). 

 

Möge dein Wunsch in Erfüllung gehen! Alles Gute dir und deiner Familie!


Es schliesst sich für mich ein weiterer Kreis als Mensch und als Fotografin. Beim Fotografieren braucht es Empathie um Menschen zu berühren, zu verbinden, sichtbar zu machen. Mit meinem fotografischen Blick auf die Menschen, Soldaten, Veteranen gehe ich einen weiteren Schritt. Zu wissen das mein / unser Projekt "Gesichter des Lebens" dabei wächst, macht mich stolz, da ich die Menschen liebe und gerne fotografiere.

 

Veteran sein heisst auch: Mensch sein. Sehen-Spüren-Fühlen. "Gesichter des Lebens" versucht dies sichtbar zu machen.

 

Ich möchte Danke sagen, an meine Herzensmenschen die mich unterstützen und tragen und mir immer wieder Tipps geben zu meinem Fotoprojekt. Danke an meinem geliebten Lebenspartner und an meinem Sohn der mich auf die Veteranen aufmerksam gemacht hat. Ein dickes Danke nach Kenia an meine liebste Freundin Iris die sich verantwortlich zeichnet für die Texte. Danke an meine liebste Freundin Edda, die mich immer stärkt und mich unterstützt. Danke an Simone und Heike meine Fotografinnen Gang und wunderbare Freundinnen und Frauen. 

 

Lasst uns weiterhin bitte die Gelegenheiten nutzen, ein Stückchen "besser" zu werden, Prioritäten anders zu setzen, unseren Mitmenschen mit Rücksicht und Liebe zu begegnen und bestenfalls die eigenen Bedürfnisse ein klein wenig zurückzustecken ❤️. Es ist schön, wenn Ihr hier mit dabei seit. Danke. 

 

Fotografiert wird mit Nikon Z7II und dem Nikkor Z 50mm F/1,2S und Nikon Z6II und dem Nikkor Z 85mm f/1.8S.

„Genderhinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.“

Hinterlasst mir hier gerne einen Kommentar, ich freue mich darauf. Danke!

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Kommentare: 4
  • #1

    Susanne (Donnerstag, 23 Dezember 2021 20:03)

    iebe Daniela und lieber Mike,
    was für eine wertvolle Arbeit von Ihnen als Fotografin und Ihnen als Mensch Mike. Ich habe mir eben als Mutter eines Soldaten diesen Artikel angeschaut und Sie gehört. Danke dafür.
    Ich wünschen Ihnen Mike alles Liebe auch für Ihrer Familie. Daniela an Sie ein Dankeschön für Ihr Projekt und diese anrührigen Fotos. Danke sagt Susanne

  • #2

    Markus Wilde (Mittwoch, 29 Dezember 2021)

    Sehr geehrte Frau Skrzypczak,
    ich möchte mich bei Ihnen für Ihre Arbeit bedanken - die Fotos rühren an und lassen einen innehalten. Die Worte lassen einen still werden und das Gehörte lässt einen nachdenklich werden.
    Danke für Ihre wertvolle Arbeit und ich wünschen Ihnen von Herzen das die Bundeswehr dieses Projekt wahrnimmt. Ich habe lange nicht solche einfühlsame Fotografie gesehen.
    Danke Mike Schestak für Ihren Mut und Offenheit an diesem wunderbaren Projekt mit dabei zu sein.
    Danke sagt Ihnen Markus Wilde

  • #3

    Daniela Skrzypczak (Sonntag, 20 Februar 2022 19:01)

    Liebe Susanne und lieber Markus,
    danke für Eure Kommentare das dicke Lob und das Hier sein.
    Ich bin glücklich das Sie Alle das Projekt mit tragen. Danke.

  • #4

    Mike (Freitag, 04 März 2022 10:41)

    Hallo Susanne, Hallo Markus,

    vielen Dank Ihnen beiden für die tollen Worte und auch dafür, dass Sie sich mit der Thematik beschäftigen. Ich wünsche Ihnen beiden alles Gute.

    Viele Grüße,
    MIke